Altarbibel
Die Jülicher Gemeinde besitzt zwei alte Altarbibeln, die jede in ihrer Art Zeugnis geben von interessanten Konzepten der Bibeledition im 17. und 18. Jahrhundert. Aber auch für die Gemeindegeschichte lohnt es sich, der Herkunft der beiden Bibeln nachzuspüren, um so mehr, als die eine aus der alten Jülicher reformierten Gemeinde kommt, die andere aus der lutherischen Gemeinde.
Canstein-Bibel
Die aus der alten lutherischen Gemeinde Jülichs stammende Bibel wurde 1736 im Halleschen Waisenhaus gedruckt und gehört zur Familie der Canstein-Bibeln. Das von der Cansteinschen Bibelgesellschaft in Halle – im Rahmen der Franckeschen Stiftungen betriebene – Projekt hatte zum Ziel, in großen Auflagen preiswerte Bibeln für jedermann zu produzieren. Technisch erreicht wurde das durch den Druck vom stehenden Satz, das heißt, die Druckstöcke einer jeden Seite der Bibel wurden während des ganzen Drucks stehen gelassen, um später weitere Auflagen ohne den erneuten Aufwand des Setzens drucken zu können. Auf diese Weise wurden in Halle in wenigen Jahrzehnten Millionen von Bibeln zu Preisen von 6 bis 10 Groschen gedruckt.
Nur einmal kam es zu einem repräsentativeren Sonderdruck im Folio-Format, mit einer größeren Schrift und mit besserem Papier, aber doch seitengleich mit der üblichen Canstein-Bibel. Diese Bibel erschien in 1736 und 1741 mit einer Auflage von insgesamt nur 4.500 Exemplaren, wovon eines 1749 von der Ehefrau des Jülicher lutherischen Pfarrers Friedrich Christian Theodor Boehme erworben wurde. Sie vermerkte handschriftlich auf der Seite vor dem Titelblatt:
Maria Gertraud Deutgen, Ehefrau Friderici, Christiani, Theodori Boehme, Evangelisch-Lutherischen Pastoris zu Gülich, hat diese Bibel zu ihrem beständigen gebrauch gekauffet Anno 1749 den 9ten Aprilis / hat gekostet mit dem Einbande: / Drey Rthlr und viertzig stüber Sie muss eine selbstbewusste Frau gewesen sein, wenn sie sich eine repräsentative Bibel in Folio-Größe für ihren persönlichen Gebrauch anschaffte, dieselbe aufwendig binden ließ und sich mit dem Hinweis auf die Kosten wohl von den Billigbibeln absetzen wollte, die damals das Land überschwemmten. Da Kinder nicht überlebten, ist anzunehmen, dass nach dem Tode der Boehmes um 1780 die Bibel in den Besitz der damaligen lutherischen Gemeinde gekommen ist und mit der Union an unsere heutige Gemeinde übergegangen ist. Über den Gebrauch in Gottesdiensten ist aus weiter zurückliegender Zeit nichts bekannt.
Die Bibel ist in einem guten Erhaltungszustand. Sie liegt bei Gottesdiensten auf dem Altar und wird gelegentlich für die feierliche Schriftlesung genutzt.